Algerien 2001/2002

 

Es kann losgehen!

 

Auto und Hänger sind sicher auf einem Campingplatz in der Nähe von Genua untergestellt, das Gepäck auf die Motorräder geladen. An der Fähre treffen wir fünf weitere Motorradfahrer aus Konstanz und Umgebung, die auch nach Algerien wollen, einige Touristen mit Geländewagen und natürlich viele Tunesier, die anscheinend das gesamte Mobiliar einer 3-Zimmer-Wohnung in und auf einem normalen Kombi unterbringen können.

 

Tunesien durchfahren wir zügig, zu kalt und ungemütlich ist es dort an Heiligabend. Aus gegebenem Anlass gibt es abends auf dem Campingplatz in Tozeur Weihnachtsgebäck und Glühwein unter Palmen.

 

Noch vor Sonnenaufgang hören wir die 5 Jungs, die wir von der Fähre kennen, vom Campingplatz fahren. Wir lassen es etwas ruhiger angehen und erreichen vormittags die Grenze. Die tunesischen Ausreiseformalitäten sind unproblematisch, aber am algerischen Posten ist Hochbetrieb: Eine Gruppe von 42 Geländewagenfahrern aus Italien ist vor uns! Die Konstanzer sind auch noch keinen Schritt vorangekommen. Der Tag vergeht mit Schlange stehen und warten bei Polizei, Zoll, Geldtausch und Versicherung. Wir lernen zwei deutsche Familien mit Lkw kennen, die uns mit Plätzchen bei Laune halten. Als die deutsche Gruppe endlich alle Formalitäten erledigt hat, ist es schon fast dunkel. Im Konvoi fahren alle nur ein kurzes Stück von der Grenze weg und suchen uns unweit der Straße einen Lagerplatz.

 

Gassi Touil - Illizi

 

Wir haben uns von den Lkw-Fahrern, mit denen wir noch ein Stück gefahren sind, verabschiedet und halten nur auf Teerstraße auf Hassi Bel Gebbour zu. Die Straße führt durch das weite Tal des Gassi Touil, in der Ferne erheben sich links und rechts majestätische Dünen. Zahlreiche Militärkontrollen gibt es, und an jeder Station erzählt man uns, wir dürften nicht auf der Gräberpiste Richtung Illizi fahren, dort seien Banditen, eine Militärübung oder es sei einfach verboten. Wir machen uns erst einmal keine Gedanken darüber.

 

Hassi Bel Gebbour – auf der Karte als Ort eingezeichnet und laut Reiseführer mit guten Versorgungsmöglichkeiten – besteht in Wirklichkeit nur aus einer Tankstelle, einem „Restaurant“ und dem Militärposten. Dort erfahren wir, dass wir definitiv nicht nach Bordj Omar Driss und auf die Gräberpiste fahren dürfen. Was nun? Wir verziehen uns für die Nacht in die umliegenden Dünen und wägen die Möglichkeiten ab. Letztlich ist es wohl doch besser, sich nicht womöglich mit dem Militär anzulegen, also werden wir weiterhin auf der Straße bleiben müssen und über In Amenas nach Illizi fahren.

 

Wir machen das Beste draus; auch auf dieser Strecke gibt es schließlich eine tolle Dünenlandschaft zu bestaunen.

 

Illizi – Iherir – Djanet

 

Wir genießen Illizi, einen richtigen Ort, wo es alles gibt: Frisches Obst und Gemüse, Käse, Milch, Telefonläden, klingelnde Handys… Auch hier heißt es überall, dass die Gräberpiste nicht befahren werden darf. Das ist wirklich schade!

 

Der weitere Weg nach Süden über das Plateau Fadnoun galt früher einmal als schwierige Strecke, doch jetzt ist die Straße asphaltiert und so kommen wir gut voran. Eine Piste führt über das grob steinige Plateau nach Iherir, angeblich einem der wasserreichsten Orte der Sahara. Unser Guide Ali heißt uns zunächst in seinem Haus willkommen. Traditionell bereitet er Tee zu, anschließend serviert uns seine Frau eine große Schüsseln mit Nudeln.

 

 

 So gestärkt, brechen wir zu Fuß zu den Gueltas auf. Durch verschiedene natürliche Becken fließt das Wasser hinab. Hier gibt es Wasser scheinbar im Überfluss, überall grünt es, eine Wohltat für die Augen.

 

 

 

Wir lassen uns Zeit auf dem Weg nach Djanet, genießen die tolle Landschaft im Tassili N’Ajjer, die Stille und das abendliche Lagerfeuer und Brotbacken.

 

Welch ein Gegensatz dazu ist Djanet, eine Oasenstadt und touristisch gut erschlossen. Trotzdem kann man als Tourist unbelästigt in der Stadt bewegen: Die Leute sind freundlich, aber trotzdem zurückhaltend. Auf dem örtlichen Campingplatz treffen wir Benno und Steffi, die wir auf irgendeinem Motorradtreffen einmal kennen gelernt hatten. So klein ist doch die Welt! In ihrem Toyota machen wir einen Ausflug zu Felsgravuren in der Umgebung. Wir stellen fest, dass es auch im Geländewagen nicht immer so angenehm ist; was für ein Geschaukel! Dagegen hat man´s auf dem Motorrad ja noch ruhig…

 

 

Erg Admer – Tamanrasset

 

Wir haben die Strecke durch den Erg Admer schon ohne Gepäck ausprobiert und für gut befunden, also entschließen wir uns, auf diesem Weg in Richtung Tam aufzubrechen. Voll beladen mit 40 l Sprit, 16 l Wasser und Lebensmitteln für mehrere Tage fühlt sich das Motorrad an wie ein Supertanker. Es gibt nur eine große Düne zu überwinden, die ist allerdings am Fuß ziemlich verspurt. Die Fuhre schlingert wie verrückt, ich versuche noch mehr Gas zu geben, aber zu spät: Heftiger Abflug, ich lande mit dem Kopf zuerst im Sand, das Motorrad liegt entgegengesetzt zur Fahrtrichtung. Ich kann mich zum Glück wieder aufrappeln und das Bein unter dem Motorrad hervorziehen.

 

Carsten fährt und fährt immer weiter, bis ich ihn nur noch als Punkt ausmachen kann. Dann verstummt der Motor der BMW. Es dauert ewig, bis er bei mir ist. Wir hieven die Suzi hoch und begutachten den Schaden: Der Auspuff ist etwas nahe an den Hinterreifen gerückt und vor allem der Lenker steht ziemlich krumm. Mir ist zum Glück nichts Schlimmeres passiert (bis auf diverse Prellungen), keine erkennbaren Anzeichen für eine Gehirnerschütterung.

 

Die Suzi ist dann doch schnell auf dem Dünenkamm, die Kuh müssen wir hingegen erst einmal komplett abladen und ausgraben, bevor Carsten die BMW rauf fahren kann. Dann Gepäck die Düne hinauftragen und wieder alles aufladen, alles in allem ein zeitintensives und schweißtreibendes Unterfangen. Aber unter uns wartet eine weite Regebene, da kommen wir sehr gut voran.

 

 

Der Militärposten bei Serouenout ist sehr freundlich, vor allem als ich den Helm abnehme, kriegt er sich kaum wieder ein. Eine Frau auf dem Motorrad! Er fragt mehrfach nach, ob alles in Ordnung ist und wir mit allem versorgt sind. Mit aufgefüllten Wasservorräten geht es weiter. Die Piste hat viel Abwechslung zu bieten: Von Wellblech über Weichsand, grobes Geröll bis hin zu einer Wasserdurchfahrt ist alles vorhanden. Zudem sehen wir den gesamten Weg immer wieder Fahrradspuren…

 

 

Den direkten Weg von Hirhafok über den Assekrem nach Tam sparen wir uns angesichts meiner Blessuren und fahren stattdessen auf Teerstraße nach Tamanrasset.

 

Tam – Assekrem

Das Geheimnis der Fahrradspuren klärt sich auf: Otmar aus Bozen ist tatsächlich von zu Hause aus mit dem Fahrrad hierher gefahren und will noch weiter bis nach Dakar! Er hat für die Strecke Djanet – Tam 10 Tage gebraucht. Es gibt wirklich unglaubliche Leute…

 

 

Wir lassen das meiste Gepäck auf dem Campingplatz und nehmen nur das Allernötigste mit zur Assekrem-Schutzhütte. Durch grandiose Vulkanlandschaft geht es auf steiniger Piste hinauf. Das letzte Stück von der Hütte zur Eremitage des Padre Foucault ist zu Fuß zu bewältigen, wir werden jedoch mit einer überwältigenden Aussicht und einem schönen Sonnenuntergang belohnt. Abends in der Hütte gibt es unter den Touristen die übliche „Woher – Wohin“-Gespräche. Wir lernen Rob und Katrin kennen, zwei Belgier mit einem Landrover, und verabreden uns, die nächste Strecke gemeinsam zu fahren.

 

 

Zurück in Tam lassen wir es uns gut gehen, genießen die Sonne, die Stadt, lassen den Gepäckträger an Carstens BMW schweißen und sehen uns die einmal im Jahr stattfindende Verkaufsausstellung an. Hier werden unter freiem Himmel Haushaltswaren, Stoffen, Kleidung, Maschinen, Schmuck, Teppiche angeboten. Auch hier können wir ganz entspannt bummeln, ganz anders als in Marokko oder Tunesien.

 

Tamanrasset – Amguid – Hassi Bel Gebbour

 

Im Reiseführer der beiden Belgier ist eine Piste östlich des Teffedest-Gebirges nach Amguid beschrieben, die in unserem reichlich betagten Algerien-Reiseführer nicht erwähnt ist. Rob und Katrin bunkern im Landrover Wasser, Lebensmittel und Sprit für die nächsten Tage und 800 km Piste ohne Versorgungsmöglichkeit.

 

Die Strecke östlich des Teffedest ist offenbar wenig befahren, das Gebirge mit den riesigen, teils kugelrunden Granitfelsen beeindruckend. Am Fuße des Garet el Djenoun, des Geisterbergs, der den nördlichen Abschluss des Gebirges bildet, verbringen wir eine Nacht, zu viert sitzen wir am Lagerfeuer, backen Brot, genießen die Stille.

 

 

Auf der Regebene kommen wir am nächsten Tag gut voran, noch 100 km weiter nördlich können wir den Geisterberg erkennen. Wir begegnen einer kleine Karawane und halten schließlich auf den Erg Amguid zu, wo wir uns mit Rob und Katrin wieder treffen. An der Westseite des Erg finden wir einen wunderschönen Lagerplatz. Den ganzen Nachmittag tollen wir dort durch den Sand, erklimmen die über 200 m hohen Dünen und können uns gar nicht satt sehen an dem überwältigenden Panorama.

 

 

Am nächsten Morgen verabschieden wir uns von Rob und Katrin, sie wollen heute schon bis Hassi Bel Gebbour fahren, während wir uns noch einen Tag länger Zeit lassen wollen. Nach einer kniffligen Passage mit Weichsand und Kamelgras geht es auf einer Ebene gut weiter. Ringsherum bis zum Horizont ist einfach nichts, kein Berg, keine Düne, kein Baum. Auf einen winzig kleinen Punkt halten wir zu, es entpuppt sich als ein Autowrack, an dem wir Rob und Katrin wieder sehen. Der alte Jeep steht hier offenbar schon länger, das einzige noch bewegliche Teil ist die Heckklappe, und an der hat Carsten Gefallen gefunden. Also Werkzeug raus, Heckklappe abbauen. Robs Tagesziel gerät dabei völlig in den Hintergrund, eine weitere Nacht verbringen wir gemeinsam.

 

 

 

Am nächsten Tag haben wir nur noch 50 km Piste, dann ist der Militärposten an der Kreuzung erreicht. Dort gibt es offenbar eine große Versammlung von Motorradfahrern, wir treffen vier Deutsche mit Begleitfahrzeug. Die Militärs sind völlig aus dem Häuschen, lachend und wild gestikulierend machen sie sogar Gruppenfotos.

 

Bild:020 Militärposten

 

In Hassi Bel Gebbour tanken wir, kaufen, was das Restaurant an Lebensmitteln hergibt, und verziehen uns zur Quelle in der Nähe. Es tut unglaublich gut, sich im heißen Wasser zu aalen. Wir genießen den letzten Abend in den Dünen, denn ab morgen beginnt quasi die Rückreise.

 

 

Ausklang

 

Da die Motorräder so tapfer durchgehalten haben und wir keine größeren Probleme hatten, haben wir noch einige Tage Zeit zum Entspannen in Douz, Tunesien. Auf dem Campingplatz freut man sich, uns wieder zu sehen, sie kennen uns aus den letzten Jahren.

 

Einen letzten Ausflug unternehmen wir zu den Sandrosen in der Nähe. Diese Gebilde liegen dort in allen Größen im Sand, man muss nur hinsehen. Auf dem Rückweg gräbt Carsten die BMW in den feuchten Sand so tief ein wie noch nie. Die Kuh ist offenbar einfach geradeaus gefahren, wo die Oberfläche leicht ansteigt. Wir lachen uns kaputt über den Sandpflug, bevor wir uns an die Ausgrabung machen.

 

Bild:018sandpflug_1

 

Zu Hause angekommen, breiten wir unsere Souvenirs aus, u. a. 4 kg Sand und natürlich die Jeep-Heckklappe, die Rob für uns transportiert hat. Es fällt unglaublich schwer, sich wieder an den Alltag zu gewöhnen. Wehmütig blicken wir auf den Wohnzimmertisch, in dem eine rostige Heckklappe im Sand liegt…

 

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